Bücherregale sind mehr als nur Aufbewahrungsorte für Literatur. Sie sind ein Spiegel der Persönlichkeit, ein Werkzeug der Selbstdarstellung und ein stummer Zeuge der Kulturgeschichte. Wir werfen einen Blick auf ihre unterschiedlichen Funktionen.
Billy oder Ivar?
Es war fast eine Glaubensfrage wie etwa auch «Coop oder Migros?», als man die erste eigene Wohnung bezog und die IKEA für einen grossen Teil der Einrichtung verantwortlich war, auch für das Bücherregal: Billy – das dezente weisse oder Ivar – das flexible in Naturholz? Und in vielen Wohnungen stehen sie noch heute. Verzichtet man nicht gänzlich auf Bücher, ist ein Bücherregal vermutlich eines der am wenigsten ersetzten Möbelstücke, da es sich im Normalfall eher im Hintergrund hält.
Das Bücherregal als Tagebuch
So wie die Auswahl des passenden Regals ein Statement sein kann, so ist es auch sein Inhalt. Damit erzählt es sowohl individuelle als auch kollektive Geschichten, ein stiller Zeuge unserer geistigen Reisen und ein visueller Ausdruck unserer Identität. Es spiegelt die Interessen, das Wissen und sogar die Sehnsüchte seiner Besitzer im Verlauf der Zeit wider. Ob es auch etwas über unseren Charakter aussagt, sei dahingestellt: Stehen in meinem Bücherregal nur Hardcoverbände, könnte man das auf hohes Qualitätsbewusstsein zurückführen – oder mit Protzigkeit begründen.
Das Bücherregal als Zierde
Bücherregale speichern nicht nur Wissen und Geschichte, sondern sind auch Zeichen für ästhetisches Bewusstsein. Manchmal ist das Äussere entscheidender als der Inhalt. So manches Bücherregal wurde schon nach Farben oder Grösse der Bücher sortiert. In Filmen sind bisweilen Regale stumme Statisten, vornehmlich mit Hardcover-Bänden in dezenten Farbtönen ausgestattet. Auch in schicken Hotels greift man gerne auf die Wirkung von Büchern zurück. Hier allerdings in Form von Tapeten mit Buchregal-Sujet. Bücher als Ausdruck von historischem Bewusstsein, Ästhetik und Behaglichkeit.
Das Bücherregal als Bühne und Kompetenzbeweis
Autoren oder Philosophinnen sieht man in Interviews nicht selten vor ihrem Bücherregal, am Schreibtisch oder in einem bequemen Sessel – ein visuelles Statement, das sowohl ihre Gelehrsamkeit als auch ihre Zugehörigkeit zur Welt der Bücher signalisiert. Dabei sind es nicht ihre eigenen Werke, die im Hintergrund stehen, sondern die Bücher, die sie gelesen haben, was ein subtiler Hinweis darauf sein könnte, dass ihr Buch die Essenz dieser umfangreichen Lektüre darstellt und den Leserinnen und Lesern somit Zeit und Mühe erspart.
Das Bücherregal als Knowledge Base
Es ist kaum vorstellbar, wie viel Wissen in einem Bücherregal versammelt ist. Vieles davon in Geschichten steckend, anderes explizit, wie z.B. in der berühmten Brockhaus-Enzyklopädie, in Brehms Tierleben oder in weiteren mehrbändigen Nachschlagewerken, die früher oft fixer Bestandteil im Wohnzimmer waren und in denen man als Kind die abenteuerlichsten Sachen fand. Mit der Digitalisierung werden aber auch diese Werke zunehmend zu – eher sperrigen – Gegenständen, die beim nächsten Umzug bestimmt einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
Machen Sie Frühlingsputz!
Vielleicht ist aber gerade jetzt die richtige Zeit, um sich mit seinem Bücherregal auseinanderzusetzen. Testen Sie Ihr Gedächtnis, indem Sie versuchen, sich an den Lesezeitpunkt oder den Inhalt von einzelnen Büchern zu erinnern. Blättern Sie sie durch und denken Sie an das Gefühl zurück, als Sie sie gelesen haben – bisweilen stösst man dabei auch auf spannende Erinnerungsstücke in Form von Postkarten, Prospekten oder Quittungen, die man dazumal als Lesezeichen verwendet hat. Trennen Sie sich von Büchern, die Ihnen nichts sagen und die Sie bestimmt nie mehr lesen werden. Und nutzen Sie den freigewordenen Platz für Neuzuzüger. Ein Besuch in einer Buchhandlung ist immer inspirierend. Wie wäre es beispielsweise mit dem Buch «Künstliche Intelligenz» von Manfred Spitzer? Das ist nicht nur brandaktuell, sondern auch mit einem gut aussehenden Buchrücken ausgestattet…
