Bibliothek der Zukunft – Teil 1

Lesedauer: 4 Minuten

Der Verband Bibliosuisse formulierte 10 Anforderungen an eine Bibliothek der Zukunft und brachte diese unter der Überschrift «Das Biblioideal» auf den Punkt. In diesem Blog geht es um die ersten 5, zu denen jeweils eine Bibliothek befragt wurde. Kommen Sie mit auf die Reise durch die Bibliothekenlandschaft der Schweiz.

Das Biblioideal

«Die ideale Bibliothek liegt am zentralsten Ort ihres Einzugsgebiets und ist Teil eines regionalen und technologischen Verbunds. Sie hat ein eigenes architektonisches Profil und ihr Eingang befindet sich im Parterre. Sie ist täglich mindestens 12 Stunden zugänglich und lädt dank ihrer Möblierung zum Lesen und Verweilen ein. Sie verfügt über alle nachgefragten Medienformen und der Bestand ist durchschnittlich höchstens 5 Jahre alt. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Bildungs- und Kulturpolitik im Einzugsgebiet. Das Personal ist kundenorientiert und technikkompetent in Bezug auf alle Medienformate.»
Aus den Richtlinien öffentliche Bibliotheken 2020, bibliosuisse

1. Die ideale Bibliothek liegt am zentralsten Ort ihres Einzugsgebiets

Bibliothek Wettswil – Frage an Fabienne Maurer, Bibliotheksleitung: Glauben Sie, dass der zentrale Standort Ihnen zu mehr Kunden verhilft? Wer sind Ihre Kunden?

Eine gute Erreichbarkeit der öffentlichen Bibliothek ist ein wichtiger Aspekt, damit die Kundschaft die Bibliothek auch rege benutzt. Die Bibliothek sollte sowohl mit dem öffentlichen Verkehr als auch zu Fuss, mit dem Fahrrad oder Auto gut erreichbar sein. Dazu gehören selbstverständlich auch genügend Park- / Abstellplätze für Autos und Fahrräder. Ein zentraler Standort in der Gemeinde ist dabei sicher von Vorteil.

In Wettswil haben wir den Unterschied gemerkt, als wir 2017 neue Räumlichkeiten beziehen konnten. Auch vorher war die Bibliothek zentral gelegen, aber so klein, dass sie meist nur für die Ausleihe und Rückgabe von Medien genutzt wurde. Seit dem Umzug wird die Bibliothek viel öfter als Treffpunkt und Aufenthaltsort genutzt. Die Bevölkerung fühlt sich wohl in den Räumlichkeiten und verweilt länger und öfter in der Bibliothek. Weil für die Kundschaft das «Gesamtpaket Bibliothek» stimmt, haben wir seither mehr Kundschaft.

Mehrheitlich stammen unsere Kunden und Kundinnen aus Wettswil, aber dass wir eine schöne Bibliothek mit einem guten Medienangebot sind, spricht sich auch in den Nachbargemeinden herum. Vermehrt haben wir vor allem Familien mit viellesenden Kindern, die zusätzlich zur Bibliothek an ihrem Wohnort auch in Wettswil die Bibliothek benutzen.

So ist der zentrale Standort nur einer von vielen Faktoren, die die Bibliothek als Dritten Ort attraktiv machen.

2. Die ideale Bibliothek ist Teil eines regionalen und technologischen Verbunds

Bibliothek Regensdorf – Frage an Susanne Römer, Leiterin Bibliothek: Welche Vorteile hat es, Teil eines regionalen technologischen Verbunds zu sein? Gibt es Nachteile?

Der Verbundkatalog Kanton Zürich beruht auf der Nutzung der Bibliothekssoftware der Firma Predata; nur sehr wenige Schul- und Gemeinde- oder Stadtbibliotheken verwenden eine andere Software.

So haben alle Interessierten – nicht nur eingeschriebene Kundinnen und Kunden –  die Möglichkeit, das Angebot vieler Bibliotheken anzusehen und den jeweiligen Bestand zu durchsuchen. Konkret in unserem Bezirk ist es so geregelt, dass jemand, der sich für ein Buch aus einer anderen Bibliothek interessiert, das wir nicht im Bestand haben, dieses in der betreffenden Bibliothek kostenlos ausleihen kann. Vorausgesetzt, es existiert ein gültiges Abo bei uns. Wir können also Kundenwünsche erfüllen und die Bedürfnisse unserer Kundschaft besser kennenlernen.

Klassische Fernleihe bieten wir aber z.B. nicht an. Da spielen auch die Nachteile eine Rolle: die Kontrolle, wann kommt ein Buch wirklich zurück und wie erreiche ich die Kundin, wenn diese nicht in unserer Gemeinde gemeldet ist?

Ein anderer Punkt, der mir zu Verbund einfällt, ist das Angebot an elektronischen Medien, das wir aktuell über dibiost beziehen. Zwei weitere Streamingdienste, freegal und filmfriend, erweitern unseren Bestand enorm. Trotzdem pflegen wir den Bestand an DVDs und halten diesen aktuell. Musik-CDs sind allerdings bei uns vollständig verschwunden.

3. Die ideale Bibliothek hat ein eigenes architektonisches Profil

Stadtbibliothek Wädenswil – Frage an Gwyneth Hughes, Leiterin Stadtbibliothek:  «Ihre» Bibliothek ist im alten Feuerwehrgebäude untergebracht – wie kam es dazu? Ist das ebenso praktisch wie schön?

Über 20 Jahre suchten unterschiedliche Verantwortliche nach einem neuen geeigneten Standort, waren die Platzverhältnisse in der damaligen Bibliothek Eidmatt, einem Anbau an die Turnhalle des Schulhauses, doch äusserst prekär und wenig attraktiv geworden.

Nach dem Umzug der Feuerwehr Wädenswil und nach der Übernahme der Lesegesellschafts-Bibliothek durch die Stadt Wädenswil liess diese das Feuerwehrhaus 2011 zur Stadtbibliothek umbauen. Es ist ein in vielerlei Hinsicht attraktives Gebäude: Die Bibliothek profitiert von ihrer zentralen Lage – quasi mit eigener Bushaltestelle. Zudem wurde die Bibliothek barrierefrei umgebaut.

Die frühere Einfahrt für die Feuerwehrautos – drei Tore – ermöglichte es, grosse und hohe Scheiben einzusetzen, die viel Licht und Helligkeit bringen und als Schaufenster für Medienpräsentationen genutzt werden. Grosszügige Flächen, eine moderne und einheitliche Einrichtung sowie die Berücksichtigung architektonischer sowie bibliothekarischer Ansprüche wurden mit dem Umbau beispielgebend realisiert.

Die Bibliothek befindet sich in einem Gebäude von kulturhistorischem Interesse mit Zwerchgiebeln und einem charmanten Spitztürmchen, in dem früher die Schläuche getrocknet wurden – und wird somit als „Landmark“ in der Gemeinde Wädenswil wahrgenommen.

4. Der Eingang der idealen Bibliothek befindet sich im Parterre

Stadtbibliothek St. Gallen – Frage an Johannes Reitze, Leiter Stadtbibliothek: Gemäss Biblioideal befindet sich der Eingang einer Bibliothek im Parterre. Dies ist bei der Stadtbibliothek St. Gallen am aktuellen Standort nicht gegeben. Empfinden Sie das als Manko?

Dass bei unseren beiden Standorten Hauptpost und Katharinen der Eingang nicht ebenerdig ist, empfinde ich als Nachteil. Für eine Stadtbibliothek ist ein niederschwelliger Zugang von grosser Bedeutung.

Für das geplante neue Bibliotheksgebäude sind deshalb auch mehrere Eingänge auf Strassenniveau geplant. Ebenfalls ist bei unseren beiden Standorten gegenwärtig von aussen für Ortsunkundige nicht offensichtlich, dass sie Bibliotheken beheimaten. Auch hier sehe ich Nachholbedarf, den wir mit dem neuen Bibliotheksgebäude beheben können.

5. Die ideale Bibliothek ist täglich mind. 12 Stunden zugänglich

Stadtbibliothek Luzern – Frage an Josef Birrer, Leiter Stadtbibliothek: Die Stadtbibliothek Luzern hat ihre Zugänglichkeit über ihre Öffnungszeiten hinaus erweitert, in dem sie eine Kooperation mit der Buchhandlung Orell Füssli Bahnhof Luzern eingegangen ist und dort die ausgeliehenen Bücher während den Ladenöffnungszeiten retourniert werden können. Ist das ein Modell, das Sie auch anderen Bibliotheken empfehlen würden?

Ja, dieses Angebot wird enorm geschätzt und entsprechend hoch genutzt. Viele unserer Kundinnen und Kunden sind dafür sehr dankbar und können so beim Vorbeigehen am Hotspot Bahnhof Luzern noch rechtzeitig vor Ablauf der Leihfrist ihre Medien zurückgeben. Wir hoffen natürlich, dass es eine Win-win-Situation ist, bei der auch die tolle neue Buchhandlung entdeckt und genutzt wird.

Die Reise durch die Bibliothekenlandschaft der Schweiz geht weiter… Die Punkte 5 bis 10 der idealen Bibliothek werden im Teil 2 dieses Blogs unter die Lupe genommen.

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